Ein König ging gern unerkannt unter das Volk. So kam er eines Abends zu einem Flickschuster und bat um Teilnahme am Abendbrot. Der Flickschuster bejahte und sagte, es reiche für beide.
Im Gespräch erzählte der Flickschuster, dass er vom Schuheflicken lebe. Der König fragte: „Und wenn du morgen keine Arbeit bekommst?“ Der Flickschuster entgegnete: „Morgen? Gott sei gepriesen Tag um Tag.“
In den folgenden Tagen geschah Folgendes:
Der unerkannte König verbot das Schustern, woraufhin der Flickschuster als Wasserträger arbeitete. Am Abend wieder derselbe Dialog beim Abendessen.
Dann untersagte der König das Wassertragen, und der Flickschuster hackte Holz für die Leute. Wieder reichte das Geld für das gemeinsame Abendessen, und wieder derselbe Dialog.
Am nächsten Tag sahen die Soldaten den Schuster mit der Axt und ließen ihn am Königsschloss ohne Entlohnung Wache stehen. Am Abend gab er das Schwert als Pfand beim Krämer ab, um Essen zu kaufen. Zu Hause schnitzte er ein Holzschwert, um nicht aufzufallen.
Der König erschien wieder zum Essen und hörte die Geschichte vom Schwert.
Am folgenden Tag zwangen die Soldaten den Schuster, einen vermeintlichen Mörder hinzurichten. Der Schuster blickte dem Angeklagten in die Augen und sagte, auf die Knie fallend: „Allmächtiger Gott, wenn dieser Mensch ein Mörder ist, lass mein Schwert aus Stahl sein. Wenn nicht, lass es aus Holz sein.“ Er zog das Holzschwert, und die Menge jubelte.
Daraufhin gab sich der König zu erkennen und ernannte den Schuster fortan zu seinem Berater.
„German Angst“ behindert Innovationen im Mittelstand.
Nach einem Bericht des BDI gibt es in der Industrie Skepsis bis hin zu Widerstand gegenüber Innovationen. Lieber soll alles beim Alten bleiben und weiter zum Erfolg beitragen.
Laut einer Bertelsmann-Studie von 2019 zählen nur 6 % der deutschen Industrieunternehmen zum Milieu der Technologieführer, die die technologische Grenze ständig nach außen verschieben, und 19 % zu den disruptiven Innovatoren, die radikale Innovationsprojekte betreiben.
In innovativen mittelständischen Unternehmen wachsen Umsatz und Beschäftigtenzahl rund zwei Fünftel schneller als bei nicht-innovativen Mittelständlern. Dennoch sinkt die Innovationstätigkeit bei kleinen und mittleren Unternehmen im dritten Jahr in Folge. Nur 28 Prozent der Unternehmen investieren noch in innovative Produkte und Prozesse, so der BDI-acatech Innovationsindikator.
Einleitung
Dies ist der sechste Blogartikel unserer Serie. Zuerst haben wir die Vielfalt der Kompetenzen betrachtet und wie sie als Anforderungen in der Berufswelt entstanden sind. Danach folgte ein Artikel über „Achtsamkeit“ als Basiskompetenz für die „Kompetenzen der Zukunft“. Zu diesen gehören die Komplexitäts-, Kontakt- und Beziehungs-, Paradoxie-, Generative und Emotionskompetenz. In den letzten Artikeln haben wir bereits die Komplexitätskompetenz, die Kontakt- und Beziehungskompetenz sowie die Paradoxiekompetenz besprochen. Heute widmen wir uns der Generativen Kompetenz.
Die Generative Kompetenz schafft in Organisationen die Grundlagen für Kreativität und Erneuerungen.
Berichte und Untersuchungen vom BDI, Fraunhofer-Institut, ZEW (Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung) sowie von beratenden Unternehmen definieren verschiedene Innovationsindikatoren:
- Hervorbringen von Innovationen
- Entwicklung von Zukunftsfeldern durch Schlüsseltechnologien
- Nachhaltiges Wirtschaften
Zusätzlich werden Innovationsprozesse beschrieben:
- Schaffung von Wissen
- Diffusion von Wissen
- Umsetzung von Innovationen
- Nutzung von Innovationen
Auch die Rahmenbedingungen und Einflussfaktoren werden genannt:
- Einflüsse durch Unternehmen, Politik und Gesellschaft
- Vorhandensein einer innovationsunterstützenden Infrastruktur und innovationsfreundlicher Rahmenbedingungen
All dies sind große Worte in umfangreichen Berichten. Doch sind es nicht letztlich die Menschen, die durch ihr tägliches Schaffen zu neuen Ideen gelangen – wenn man sie lässt?
Innovation umfasst hier sämtliche kreativen Prozesse, die maßgeblich zu Verbesserungen und Veränderungen beitragen und damit die Wertschöpfung und Wertschaffung in Organisationen fördern.
Wie zahlt in diesem Kontext die Generative Kompetenz darauf ein?
Beispiele aus der Praxis
In einem Produktionsbetrieb tritt seit Langem ein unregelmäßiger Fehler bei der Montage eines Einzelteils auf, was zu regelmäßigen Reklamationen nach Auslieferung des Endprodukts führt. Der Fehler ist bekannt und wurde der Stelle gemeldet, die laut Stellenbeschreibung diese Probleme lösen soll.
Im Rahmen eines neuartigen Projekts (Venture) werden alle, die mit diesem Fehler vertraut sind, unabhängig von Hierarchie und „Abteilung“ in einer Arbeitsgruppe zusammengebracht. Zum ersten Mal wird auch die Person gehört, die das Einzelteil täglich montiert. Innerhalb einer Woche wird das Problem gemeinschaftlich gelöst.
In einem Handelsunternehmen kommt es immer wieder zu Störungen zwischen Wareneingang und Auslieferung der kommissionierten Ware, was zu Lieferverzug und Mengenfehlern führt. Trotz regelmäßiger Anweisungen der Führungskräfte wird es nicht besser. Insellösungen führen zu immer mehr Problemen.
In einem Projekt (Venture) werden zum ersten Mal Mitarbeitende aus allen Stationen der „Lieferkette“ zusammengebracht. Neben einer Begehung aller relevanten Stationen wird eine gemeinsame Übersicht aller Zwischenschritte erstellt. In einem kreativen Prozess werden Quick Wins zur sofortigen Umsetzung sowie mittel- und langfristige Lösungsschritte identifiziert.
Klingt einfach, oder? Ist es aber nur „eigentlich“.
Wie kann Generative Kompetenz gefördert werden?
An anderer Stelle haben wir das X/Y-Menschenbild besprochen. Der Mensch will von Natur aus Verantwortung übernehmen, kreativ sein und mitgestalten.
Doch durch das Elternhaus, den Kindergarten, die Schule (konzipiert für das Industriezeitalter und damit nicht zukunftsorientiert), die Universität (seit Bologna so verschult wie nie zuvor) und ein tayloristisches Management in den meisten Unternehmen, insbesondere in Konzernen, sind wir oft auf systemintelligentes angepasstes Verhalten konditioniert. Diese Konditionierung hat uns in den letzten 150 Jahren Wohlstand gebracht, doch um Generative Kompetenz zu entwickeln, müssen wir kontinuierlich diese Denkweisen entlernen.
Die Bestandteile der Generativen Kompetenz
- Freiräume schaffen
Kreativität entfaltet sich nicht auf Befehl. Wenn Menschen regelmäßig hierarchie- und bereichsübergreifend ohne Angst offen über Lösungen sprechen dürfen, bringen sie sich freiwillig ein. Es ist die Aufgabe der Führung, dies zu fördern. - Aktive Problemsuche
Wenn Fehler vertuscht werden, weil nach Schuldigen statt nach Lösungen gesucht wird, ist ein Perspektivwechsel nötig. - Ideenfindung systematisieren
Zukunftsorientierte Unternehmen bieten regelmäßig strukturierte Prozesse an, um systematisch Problemlösungen „out of the box“ zu entwickeln. - Kreativität im Alltag fördern
m Gespräch mit Kolleg:innen proaktiv Prozesse in Frage stellen. Jede/r von uns mit all den unterschiedlichen Interessen erhält vielfältige Informationen aus den jeweiligen Berufs- und Branchenfeldern – wer mit Generativer Kompetenz ausgestattet ist, fragt nach und erhält relevante Informationen außerhalb der regulären Wege. - Und zur eigenen Weiterentwicklung:
Ungewohntes tun und Routinen durchbrechen – fahre morgen nach Paris. Nimm auf dem Weg zum Zielort einen Umweg und entdecke drei Neuigkeiten. Blicke am Abend dankbar auf drei überraschende Ereignisse zurück, die dein Leben verändert haben, und sei gespannt auf neue Überraschungen.
Ausblick
Die Welt ist im Wandel und somit auch jede Organisation und die darin arbeitenden Menschen. Du als Führungskraft, HR-Verantwortlicher, Coach oder Berater baust gerade neue Kompetenzmodelle, Organisationsdesigns, Führungskräfteentwicklungsprogramme oder andere Personalentwicklungsinstrumente für dein Unternehmen?
In dieser Beitrag Serie beschreibe ich die erwähnten „Kompetenzen der Zukunft“ im Einzelnen näher und mache sie mit erlebten Praxisbeispielen aus unseren Befähigungsformaten und Projekten greifbar.
Quellen:
Herling, S. (2022). Kompetenzen der Zukunft (RKW Kompetenzzentrum, Hrsg.; Heft 1-6). RKW Rationalisierungs- und Innovationszentrum der Deutschen Wirtschaft e. V.
Pfläging, N., & Hermann, S. (2015). Komplexithoden: Clevere Wege zur (Wieder)Belebung von Unternehmen und Arbeit in Komplexität. Redline Verlag.
Wohland, G., & Wiemeyer, M. (2012). Denkwerkzeuge der Höchstleister: Warum dynamikrobuste Unternehmen Marktdruck erzeugen. UNIBUCH.
Bert Kruska
VORSPRINGER & Transformationscoach
Wer lebt - stört.
Wenn sich Unternehmen im Sinne einer Transformation wirklich tiefgreifend verändern wollen, braucht es ein neues Verständnis von Veränderung. Das bedeutet für uns:
Weniger Veränderung IM bestehenden Organisationssystem und mehr Veränderung AM Organisationssystem.
Weniger Planen, Kontrollieren und Steuern von Veränderung und mehr Raum für das Entstehen lassen von Veränderung.
Weniger einen statischen Zustand A in einen statischen Zustand B überführen und mehr Veränderung als natürlichen, niemals endenden Prozess sehen.
Wer diese Perspektiven einnimmt, fragt nicht mehr nach dem Ende der Transformation, sondern nach dem Ende des Stillstands.
Die schlechte Nachricht:
Transformation bedeutet entgegen der Spielregeln des bestehenden Systems zu handeln. Und das erfordert jede Menge Entschiedenheit, Mut und Vertrauen.
Die gute Nachricht:
Entschieden, mutig und vertrauensvoll neue Wege zu gehen fördert gleichzeitig Entschiedenheit, Mut und Vertrauen in der Organisation.
Ist Veränderung für dein Unternehmen ein notwendiges Übel oder Ausdruck der unternehmenseigenen Lebendigkeit?
Bist du bereit entschieden voranzuschreiten?
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