Frage 1: Sebastian, du hast gerade deinen LinkedIn Live Talk zur Themenreihe Human Centric Finance mit Fokus Erfolgsfaktor Mensch gehalten.
Wie fühlst du dich und wie ist es gelaufen?
Sebastian Bartel: Mir geht es sehr gut. Es ist immer spannend, etwas Neues auszuprobieren und sich in einer neuen Atmosphäre zu befinden. Man stellt fest, dass es oft anders läuft als geplant, was jedoch auch sehr viel Spaß macht. Ich habe meine Komfortzone verlassen und in der Interaktion neue Punkte entdeckt, die das Ganze bereichern. Das Team hat großartige Arbeit geleistet und ohne deren Unterstützung wäre das nicht möglich gewesen. Insgesamt war es eine sehr positive Erfahrung, die mich ermutigt hat, weiter in diesem Format zu arbeiten und neue Themen zu entdecken.
Frage 2: Du bist sowohl Flugkapitän als auch Unternehmensentwickler. Wie hängen diese beiden Rollen zusammen und was kannst du daraus für Unternehmen ableiten?
Sebastian Bartel: Beide Berufe haben erstaunliche Parallelen. Ein Flugzeug ist wie eine kleine Betriebsstätte mit einem klaren Wertschöpfungsprozess. In der Luftfahrt haben wir aufgrund unserer Erfahrung eine starke Fehlerkultur entwickelt, die durch Checklisten und Procedures unterstützt wird. Gleichzeitig müssen wir flexibel und schnell auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren können. Dies erfordert, dass alle Ressourcen an Bord aktiviert werden und jeder seine Kompetenzen einbringt.
Dieses Prinzip lässt sich auch auf Unternehmen übertragen: Es geht darum, die Vorteile von festen Prozessen und agiler Flexibilität zu kombinieren. Eine effektive Fehlerkultur und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit sind entscheidend, um sowohl Sicherheit als auch Innovation zu gewährleisten. Die Flugbranche zeigt uns, wie wichtig es ist, auf klare Regeln zu setzen, aber auch schnell und kreativ auf unvorhergesehene Herausforderungen zu reagieren. In beiden Bereichen ist der Mensch die zentrale Schnittstelle, die dafür sorgt, dass Systeme effizient und flexibel arbeiten können.
Frage 3: Du hast in deinem Talk erwähnt, dass psychologische Sicherheit 20% die Produktivität eines Unternehmens erhöhen kann. Kannst du das näher erläutern?
Sebastian Bartel: In einer dynamischen Welt reicht es nicht aus, Wissen nur zu besitzen. Psychologische Sicherheit bedeutet, dass Informationen bereitwillig geteilt werden und jeder sich einbringen kann, ohne Angst vor Sanktionen zu haben. Dies führt zu einer effektiveren Zusammenarbeit und schnelleren Problemlösung. Wenn Mitarbeiter wissen, dass ihre Ideen und Bedenken ernst genommen werden, trägt das erheblich zur Produktivität bei.
Stellt euch vor, in einem Flugzeug bemerkt eine junge Kollegin ein potenzielles Problem. Nur wenn sie sich sicher genug fühlt, diese Beobachtung zu teilen, kann das Team unter der Führung des Kapitäns schnell reagieren und direkt eine Lösung umsetzen. Übertragen auf Unternehmen bedeutet dies, dass dezentralisierte Entscheidungen getroffen werden können, ohne dass alles durch eine hierarchische Struktur und viele Abteilungen gefiltert wird. Dies spart Zeit und ermöglicht es denjenigen, die am nächsten am Problem sind, direkt zu handeln. Diese Kultur der Offenheit und des Vertrauens ist entscheidend, um in einer sich schnell verändernden Umgebung erfolgreich zu sein und kann die Produktivität um mindestens 20% steigern.
Frage 4: Welche Rolle spielt Führung in diesem Kontext?
Sebastian Bartel: Führung ist entscheidend. In vielen Unternehmen werden Führungskräfte aufgrund ihrer fachlichen Expertise befördert, nicht unbedingt aufgrund ihrer Führungsfähigkeiten. Eine gute Führungskraft sollte jedoch in der Lage sein, Freiräume und Schutzräume zu schaffen, in denen Mitarbeiter Verantwortung übernehmen können, ohne Angst vor Fehlern zu haben.
Eine effektive Führungskraft erkennt, dass Wissen nicht Macht ist, sondern geteilt werden sollte, um das Beste aus dem Team herauszuholen. In meiner Rolle als Flugkapitän verlasse ich mich auf das Wissen und die Erfahrung meiner Crew. Das gleiche Prinzip gilt in Unternehmen: Führungskräfte sollten Vertrauen aufbauen und ein Umfeld schaffen, in dem Mitarbeiter ihre Ideen frei äußern können. Hierarchie sollte als Unterstützung dienen, nicht als Hindernis. Wenn Mitarbeiter wissen, dass sie in einem sicheren Raum arbeiten, in dem Fehler als Lernchancen gesehen werden, sind sie motivierter und produktiver. Führung bedeutet, Verantwortung zu übernehmen und gleichzeitig anderen zu ermöglichen, ihr Potenzial voll auszuschöpfen.
Frage 5: Kannst du den Unterschied zwischen Komplexität und Kompliziertheit in wenigen Sätzen erklären?
Sebastian Bartel: Kompliziertheit hat klare, kausale Zusammenhänge: auf A folgt B. Komplexität hingegen ist geprägt von Unsicherheit und Vielschichtigkeit: auf A kann B, C oder D folgen. Bei komplizierten Aufgaben sind disziplinierte Verfahren notwendig, während komplexe Herausforderungen ein Testen und Lernen erfordern. Eine gute Fehlerkultur ist in beiden Fällen wichtig, aber bei komplexen Aufgaben geht es eher um eine Irrtumskultur.
In der Luftfahrt bedeutet Komplexität, dass wir oft auf unvorhergesehene Situationen reagieren müssen. Dies erfordert Flexibilität und die Fähigkeit, schnell auf neue Informationen zu reagieren. In Unternehmen ist es ähnlich: Wir müssen lernen, mit Unsicherheit umzugehen und offen für neue Ansätze zu sein. Komplizierte Aufgaben erfordern Disziplin und strikte Einhaltung von Prozessen, während komplexe Aufgaben Kreativität und Anpassungsfähigkeit verlangen.
Frage 6: Was wünschst du dir für die Zukunft in Bezug auf Führung und Unternehmensentwicklung?
Sebastian Bartel: Mehr Demut und Offenheit. Wir sollten weniger Wahrheiten verteidigen und mehr fragen, warum jemand zu einer anderen Lösung kommt. Es ist wichtig, die Perspektiven anderer zu verstehen und daraus zu lernen. Diese Haltung fördert nicht nur die zwischenmenschliche Kommunikation, sondern auch die Innovationskraft und Effizienz von Unternehmen.
Ich wünsche mir, dass wir in der Lage sind, öfter innezuhalten und zu reflektieren, anstatt sofort zu urteilen. Fragen wie “Warum denkst du das?” und “Was brauchst du?” sollten häufiger gestellt werden. Das fördert ein tieferes Verständnis und ermöglicht es uns, besser zusammenzuarbeiten. In der Führung und Unternehmensentwicklung geht es darum, ein Umfeld zu schaffen, in dem Offenheit und Lernbereitschaft gefördert werden.
Abschluss:
Vielen Dank, Sebastian, für deine spannenden Einblicke.
VORSPRUNG Redaktion
Nadine Jäger
Wenn sich Unternehmen im Sinne einer Transformation wirklich tiefgreifend verändern wollen, braucht es ein neues Verständnis von Veränderung. Das bedeutet für uns:
Weniger Veränderung IM bestehenden Organisationssystem und mehr Veränderung AM Organisationssystem.
Weniger Planen, Kontrollieren und Steuern von Veränderung und mehr Raum für das Entstehen lassen von Veränderung.
Weniger einen statischen Zustand A in einen statischen Zustand B überführen und mehr Veränderung als natürlichen, niemals endenden Prozess sehen.
Wer diese Perspektiven einnimmt, fragt nicht mehr nach dem Ende der Transformation, sondern nach dem Ende des Stillstands.
Die schlechte Nachricht:
Transformation bedeutet entgegen der Spielregeln des bestehenden Systems zu handeln. Und das erfordert jede Menge Entschiedenheit, Mut und Vertrauen.
Die gute Nachricht:
Entschieden, mutig und vertrauensvoll neue Wege zu gehen fördert gleichzeitig Entschiedenheit, Mut und Vertrauen in der Organisation.
Ist Veränderung für dein Unternehmen ein not