Frage 1: Mark du hast gerade deinen LinkedIn Live Talk zum Thema – „Was kostet der Mensch“ gehalten. Wie fühlst du dich und wie ist es gelaufen?
Mark Poppenborg: Es war ein spannender Austausch. Es ist immer bereichernd sich mit Menschen auszutauschen, die ähnlich aber nicht identisch auf die Vorgänge in unserer Wirtschaft und die Prinzipien von Unternehmensführung schauen. Für mich war es ein wertvoller Austausch, auch wenn ich schwer einschätzen kann, wie es beim Publikum ankam – dazu bin ich zu sehr im Thema verwurzelt.
Frage 2: Was hat Dich persönlich bewegt, Dich mit dem Thema auseinander zu setzen?
Mark Poppenborg: Ganz ehrlich: Persönliche Krisenmomente. Es gab Zeiten, in denen ich meine eigene Arbeit als sinnlos empfunden habe. Das hat mich ziemlich ins Grübeln gebracht. Die Gespräche mit anderen zeigten mir dann, dass ich damit nicht allein war. Dieses Gefühl der Leere schien systemisch bedingt zu sein. Daraus entstand meine tiefe Motivation, die Rahmenbedingungen von Arbeit zu hinterfragen. Ich wollte verstehen, warum manche ihre Arbeit genießen und andere daran zerbrechen. Dieser Drang, die Mechanismen hinter sinnvoller und wirksamer Arbeit zu entschlüsseln, hat mich seither nicht mehr losgelassen und mich schließlich zu dem geführt, was ich heute tue: Unternehmen dabei zu unterstützen, zu mehr echter Arbeit und weniger sinnloser Beschäftigung beizutragen. Das nicht nur den Unternehmen, sondern auch den Mitarbeitern.
Frage 3: Wie bzw. aus welcher Perspektive schaust Du auf die (finanzielle) Führung von Unternehmen?
Mark Poppenborg: Zunächst einmal muss man anerkennen, dass es schlicht unmöglich ist, alle Leistungsprozesse objektiv abzubilden. Der Versuch, dies zu tun, führt oft zu Verzerrungen. Controlling ist heute häufig spiegelbildlich für die Kontroll- und Steuerungsillusionen eines sich abnutzenden Führungsansatzes. Controlling hat für mich eine dienstleistende Funktion. Es muss Entscheidungen unterstützen, anstatt ein Dashboard Management zu schüren. Führung muss Strukturen schaffen, die den Mitarbeitenden ermöglichen, in ihrem Verantwortungsbereich sinnvolle Entscheidungen zu treffen. Controlling liefert hierbei nur Daten und Orientierungshilfen. Entscheidungen lassen sich nicht errechnen – dann wären es keine.
Frage 4:Woran und wie misst Du Unternehmenserfolg (Welche KPIs sind für Dich besonders aussagekräftig?)
Mark Poppenborg: Das gesamtunternehmerische Interesse ist am Ende immer, den Ertrag zu steigern, ohne dabei die Zukunftssicherung zu gefährden. Die Unternehmensführung muss dafür sorgen, dass die Rahmenbedingungen im Unternehmen diesem Interesse nicht im Wege stehen.
Gerade in komplexen Organisationen können Zahlen schnell zur Illusion von Objektivität werden. Es gibt nicht die eine Wahrheit. Stattdessen brauchen wir einen gesunden Umgang mit subjektiven Einschätzungen. KPIs sollten als Orientierung verstanden werden, nicht als finale Bewertungsgrundlage. Mehr Zahlen bedeuten nicht automatisch mehr Klarheit – oft ist sogar das Gegenteil der Fall. Für mich sind es daher nicht klassische KPIs, sondern Muster und Einschätzungen, die im Dialog entstehen, die wirklich Aussagekraft besitzen.
Frage 5: Wo siehst Du aktuell den größten Schmerz bei Unternehmen und auch mit Blick in die Zukunft?
Mark Poppenborg: Der größte Schmerzpunkt ist aus meiner Sicht der Wunsch nach Rezepten. Menschen sehnen sich nach Sicherheit – verständlicherweise. Doch gerade in einer komplexen Welt gibt es keine Anleitung für garantiert erfolgreichen Wandel. Methoden können helfen, aber sie dürfen nicht zum Dogma werden. Wichtig ist es, den Unterschied zwischen komplizierten und komplexen Problemen zu verstehen. Bei komplexen Herausforderungen braucht es Flexibilität, situatives Handeln und gesunden Menschenverstand. Bei komplizierten Problemen hilft der Methodenkasten des klassischen Managements.
Frage 6: Worin siehst Du die größten „Hürden“ für Veränderungen in Unternehmen?
Mark Poppenborg: Eine große Hürde ist das Missverständnis, dass Unternehmenserfolg und Mitarbeiterwohl ein Widerspruch seien. Oft wird suggeriert, dass wirtschaftliche Interessen nur auf Kosten der Menschen umgesetzt werden können. Ich halte das für einen künstlichen Gegensatz. Wenn es gelingt, sinnlose Beschäftigung zu vermeiden und die Rahmenbedingungen für wirksame Arbeit zu schaffen, profitieren beide Seiten. Erfolgreiche Unternehmen und zufriedene Mitarbeitende schließen sich nicht aus – im Gegenteil.
Frage 7: Für wen ist das Thema noch interessant und mit wem müssen wir unbedingt zu dem Thema sprechen?
Mark Poppenborg: Dieses Thema geht alle an, die Organisationen führen oder gestalten – egal ob Führungskräfte, Controller, HR oder Mitarbeitende selbst. Jeder, der sich für eine nachhaltige und sinnvolle Art des Wirtschaftens interessiert, sollte über Human Centric Finance nachdenken. Besonders spannend wäre der Austausch mit anderen, die ähnliche Perspektiven vertreten oder sich ebenfalls auf die Suche nach neuen Antworten begeben haben. Nur im Dialog können wir dieses komplexe Feld wirklich weiterentwickeln.
Über Mark Poppenborg
Mark ist Unternehmer. Er ist der Gründer des bekannten Think Tanks und Unternehmens intrinsify, das sich für mehr echte Arbeit statt verschwenderischer Beschäftigung in der Wirtschaft einsetzt und zu moderner Unternehmensführung und Organisationsentwicklung aufklärt. Seit seiner ersten Gründung 2010 hat er viele weitere Unternehmen und Projekte initiiert. Dazu gehören u.a. das work-X Festival, die Unternehmensberatung Organeers, ein Online-Händler im Lebensmittelbereich und das Non-Profit Unternehmen Expedition Arbeit. 2021 veröffentlichte er den Bestseller „Wir führen anders!“ Er ist zudem gefragter Speaker und Top-Management Sparringspartner.
Abschluss:
Vielen Dank, Mark, für deine spannenden Einblicke.
VORSPRUNG Redaktion
Saveria Toscano
Du gabst uns stets das wohlige Gefühl, zu wissen, dass die Dinge gut werden, wenn nur jeder das macht, was ihm aufgetragen wird. Dank dir wussten wir immer genau, welche Aufgaben wir ohne schlechtes Gewissen ablehnen konnten, ohne dabei den von dir vorgezeichneten Karrierepfad zu gefährden. Es hatte schlicht etwas Bequemes, sich nicht um Dinge kümmern zu müssen, die wir nicht formal verantworten mussten.
Wer deine Kreativität unterschätzte wurde zeitlebens eines Besseren belehrt. Für jedes organisationale Problem hattest du die passende Stellenausschreibung parat. Wo wären wir heute ohne Chief Happiness Officer, Innovationsmanager oder Transformationskatalysatoren?
Unsere dynamisch vernetzte Welt machte dir jedoch kürzlich sichtbar zu schaffen. Stellenbeschreibungen, die immer detaillierter und länger wurden. Unsummen an Fähigkeiten, die kein Mensch mehr allein verkörpern konnte. Anforderungen an Berufserfahrungen, die viele Kandidaten ungläubig mit dem Kopf schütteln ließen. Dein Wunsch, die stetig wachsende Komplexität der Welt auf eine Summe messbarer Einzelteile herunterzubrechen, war ein hehrer – jedoch von Beginn an zum Scheitern verurteilt.
Wir verurteilen dich aber nicht. Leistung zu messen und zu bewerten ist und bleibt wichtig. Persönliche Klarheit und Verantwortlichkeit im Beitrag für das Unternehmen unverzichtbar. Die richtigen Menschen mit den richtigen Kompetenzen an Bord zu holen einer der Schlüssel für nachhaltigen Erfolg.
Der Weg dorthin wird in Zukunft jedoch eine andere Form annehmen. Weniger Personenkult, mehr Verbindung zum Unternehmenszweck. Weniger Funktionserfüllung, mehr Arbeit in dynamischen Rollen. Weniger Anpassung, mehr Gestaltung. Weniger Individuum, mehr Team. Weniger Fokus auf die Einzelteile, mehr Fokus auf die Verbindungen. Darauf freuen wir uns!
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